Provisionen vs. neutrale Finanzberatung

Neutrale Berater können verleitet werden, hauptsächlich Geschäfte und Massnahmen vorzuschlagen, die hohe Retrozessionszahlungen auslösen. Die Interessen der Kunden werden zu wenig berücksichtigt, wenn nicht alle Möglichkeiten aufgezeigt, sondern nur Produkte verkauft werden.

Dazu zwei Beispiele:

  1. Ab Alter 55 kann es für viele angehende Rentner ratsam sein, sich in die Pensionskasse (2. Säule) einzukaufen. In zahlreichen Fällen können so die Steuern massiv reduziert werden und die Nachsteuerrenditen sind bei tiefem Risiko oft sehr hoch. Eine solche Handlungsempfehlung löst in keinem Fall einen Kickback aus.
  2. Für viele Rentner ist ein Rentenbezug die richtige Entscheidung. Trotzdem kommen viele Berater zum Schluss, dass der Kapitalbezug in der jeweiligen Situation besser abschneidet. Das kann zweifelsohne korrekt sein – nicht selten macht ein Kapitalbezug Sinn. Trotzdem ist ein (Teil-)Rentenbezug für viele sinnvoll, um den Sockelbedarf mit einer Rente sicherstellen zu können. Ein Rentenbezug löst aber in keinem Fall einen Kickback aus, weil das Geld in diesem Fall bei der Pensionskasse verbleibt.

Es gibt unzählige weitere Beispiele, bei denen der Berater einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist.

Neutrale Finanzberatung ist kein Produktverkauf

Oftmals lässt sich die finanzielle Situation nicht mit einem spezifischen Finanzprodukt optimieren, sondern mit umfassenden Massnahmen. Dabei geht es beispielsweise um Massnahmen zur Strukturierung des Gesamtvermögens oder komplexe Finanzplanungen. Es kann sich zum Beispiel um einen Pensionskasseneinkauf oder die Anpassung der Hypothekarhöhe handeln. Ein Finanzberater kann verleitet werden, gar nicht erst über diese Optimierungsmöglichkeiten zu sprechen, weil bei diesen „produktlosen“ Massnahmen keine Provisionen fliessen. Erfahrungsgemäss sind es aber genau diese Massnahmen, die für die Kunden am vorteilhaftesten sind.

Unabhängig kann sich fast jeder Finanzberater nennen

Die Bezeichnung „unabhängig“ ist in der Schweiz leider nicht geschützt. Sie kann von jedem Berater genutzt werden. Deshalb nennt sich fast jeder Finanzberater „unabhängiger Berater“, sofern er nicht direkt bei einer Bank oder Versicherung angestellt ist. Es gibt zwei Beratungskonzepte: Die Gratisberatung und die Honorarberatung. Der Übergang vom einen Modell zum anderen ist fliessend. Auch Honorarberater können Provisionen erhalten.

Auch bei unabhängiger Finanzberatung sind Provisionen weit verbreitet

Jeder unabhängige Finanzberater erhält Provisionen. Sie werden von Banken und Produktanbietern im Hintergrund bezahlt. Die Höhe der Rückvergütungen variiert von Finanzprodukt zu Finanzprodukt und von Bank zu Bank stark. Ohne Fachkenntnisse ist die Höhe nicht abschätzbar und ein Vergleich bei verschiedenen Finanzberatern fast unmöglich. Selbstverständlich können Berater auf die Provisionen verzichten – das tut aber leider nur eine handvoll. Kritisch sollten Sie sein, wenn Ihnen ohne eine umfassende Beratung gemischte Lebensversicherungen, Policen im Rahmen der Säule 3a oder strukturierte Produkte und teure Fondslösungen „verkauft“ werden.

Provisionen stehen einer unabhängigen Anlageberatung im Wege

Mit der Zahlung von Provisionen sollen Anreize geschaffen werden. Deshalb entstehen Interessenkonflikte überall dort, wo sie fliessen. Die Entgegennahme von Provisionen stellt die Unabhängigkeit eines Beraters oder Finanzdienstleistungsunternehmens in Frage, weil durch sie eine neutrale Empfehlung erschwert wird. Indem nicht nur die Kundeninteressen, sondern auch die Interessen Dritter berücksichtigt werden, kann ein Berater seine Einnahmen erhöhen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass er Produkte oder Anbieter mit hohen Retrozessionen bevorzugt.