Retrozessionen in der Finanzbranche

Banken und Produktanbieter beteiligen Vermögensverwalter und anderer Vertriebsträger an generierten Gebühren. Diese Gebührenbeteiligung erfolgt meist im Hintergrund und teilweise auch heute noch ohne Wissen des Kunden. Nach den Bundesgerichtsentscheiden zu Retrozessionen im Jahr 2006 und 2012 haben zwar viele Anbieter die Verträge mit ihren Kunden angepasst – von vollständiger Transparenz können die meisten Kunden aber weiterhin nur träumen. Auch wenn für gewisse Provisionsvergütungen nicht der Begriff Retrozession verwendet wird, handelt es sich in der Praxis immer um eine – meist im Hintergrund fliessende – Zahlung an einen Vermögensverwalter, Finanzberater oder eine Bank.

Verstehen, wo Retrozessionen fliessen

Vielen Anlegern ist nicht klar, wo überall Retrozessionen fliessen und wie das System genau funktioniert. Klarheit bringt eine Gliederung der Kickbacks in zwei Kategorien, und zwar nach dem Kriterium, von wem sie bezahlt werden.

Retrozessionen von Produktanbietern

Weil vielen Anbietern von Finanzprodukten ein Vertriebsnetz und damit der Zugang zu den Anlegern fehlt, zahlen sie den Vermögensverwaltern, Banken und Finanzberatern Provisionen, wenn diese ihre Finanzanlagen verkaufen oder bei Vermögensverwaltungsmandaten direkt in die Depots der Kunden aufnehmen. Bezahlt werden Produkt-Retrozessionen beispielsweise bei den allermeisten Anlagefonds, Hedge Funds oder strukturierten Produkten. Es ist für viele Produktanbieter einfacher, den Vertrieb an den generierten Gebühren zu beteiligen und so Anreize zu schaffen, als selber die Endanleger mit Marketingkampagnen von ihren Produkten zu überzeugen. Sie wissen, dass in vielen Fällen der Berater oder das Portfoliomanagement entscheidet, welche Produkte eingesetzt werden und welche nicht. Werden keinen Retrozessionen bezahlt, werden bei vielen Banken, Vermögensverwaltern und Beratern die entsprechenden Produkte gar nicht in die Titelauswahl aufgenommen.

Retrozessionen von Banken

Bei einer Verwaltung der Wertschriften durch einen externen Vermögensverwalter finanziert sich die Depotbank hauptsächlich durch Transaktions- und Depotgebühren. Die Bank zahlt dem externen Verwalter einen Teil der Bankgebühren in Form von Kickbacks aus, wenn dieser nicht zu Gunsten des Kunden darauf verzichtet. Ein Grossteil der externen Vermögensverwalter erhält Retrozessionen von Depotbanken. Retrozessionsfreie Modelle setzen sich aber seit circa 2017 immer mehr durch. Das Problem: Das System mit Provisionszahlungen ist kompliziert und ohne Fachwissen ist es für Privatanleger immer noch schwierig herauszufinden, ob wirklich keine Kickbacks fliessen. Die Verträge geben zwar Auskunft darüber, diese sind aber oft riesige Dokumente und in einer Fachsprache formuliert, dass sie für Anleger ohne umfangreiches Fachwissen kaum verständlich sind.